Schreibn nach Gehöa

Recht­schreib­pro­ble­me durch Reform und fal­scher Lehrmethode
Die „Bild“ berich­te­te unter Beru­fung auf eine Stu­die der For­schungs­grup­pe Deut­sche Spra­che, dass sich die Feh­ler­quo­te in Schul­dik­ta­ten nach Ein­füh­rung der Recht­schreib­re­form offen­bar ver­dop­pelt hät­ten. Laut Aus­wer­tung der For­scher sei die Feh­ler­quo­te bei Sechst­kläss­lern zwi­schen den 70er und 2000er Jah­ren um 82 Pro­zent gestie­gen, an Gym­na­si­en um 119 Pro­zent. Die größ­ten Pro­ble­me berei­te­te den Schü­lern die s‑Endungen, die Getrennt- und Zusam­men­schrei­bung und die Groß-Klein­schrei­bung. (www​.ad​-hoc​-news​.de)hoeren-b
Außer­dem berich­te­te die „Bild“, über Kri­tik an der Metho­de „Lesen durch Schrei­ben“, bei der die Kin­der nach Gehör schrei­ben. Mit einer einer Klei­nen Anfra­ge im bran­den­bur­gi­schen Land­tag kri­ti­sier­te der CDU-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Hen­ryk Wich­mann ein Schul­buch, dass die „Lesen durch Schreiben“-Methode anwen­det, und nach der laut Wich­mann sei­ne Toch­ter nicht rich­tig schrei­ben gelernt habe. Die Ant­wort lau­te­te, dass das Buch ein „all­ge­mein zuge­las­se­nes Lern­mit­tel“ sei. Bay­erns Lan­des­schü­ler­spre­cher Timo Gre­ger erklär­te: „Schrei­ben nach Gehör ist wie Ope­rie­ren nach Gefühl“. Im Ham­bur­ger Senat gebe es eine Initia­ti­ve zur Abschaf­fung der Lern­me­tho­de.(www​.bild​.de)

Quel­le: VDS (Ver­ein Deut­sche Spra­che – VDS Info Brief Nr.17)


War­um Kin­der nicht mehr schrei­ben können

24. Okto­ber 2013, 12:24 Uhr

Wenn Kin­der in der ersten Klas­se nach Gehör schrei­ben, wür­de ihnen das beim Ler­nen hel­fen. Das dach­ten die Refor­mer. Doch Grund­schü­ler machen heut­zu­ta­ge wesent­lich mehr Feh­ler als noch vor 40 Jahren.

Cosi­ma ist 10 Jah­re alt und geht in die vier­te Klas­se. Als sie ihrem Vater in die­sem Jahr eine Kar­te zum “Fata­tak” über­reich­te, ist die­ser voll­kom­men ent­setzt: “Liba Fata – ales gute zum Fata­tak. Ich hab dich lib.” 

Das “Lesen durch Schreiben”-Prinzip
Die Metho­de “Lesen durch Schrei­ben” geht auf den Schwei­zer Reform­päd­ago­gen Jür­gen Rei­chen zurück. Sie sieht vor, dass Kin­der beim Ein­stieg in die Schrift­spra­che kei­ne Regeln ler­nen, son­dern aus­schließ­lich so schrei­ben, wie sie hören und spre­chen. Wie ein Wort wirk­lich geschrie­ben wird, spielt zunächst kei­ne Rol­le. Auch Feh­ler wer­den in der ersten Zeit nicht kor­ri­giert. Die umstrit­te­ne Metho­de wird an deut­schen Grund­schu­len seit den 1990er Jah­ren eingesetzt.

Die Schu­le, in die Cosi­ma geht, hät­te an die­ser For­mu­lie­rung ver­mut­lich nichts aus­zu­set­zen. Denn Cosi­ma hat es so auf­ge­schrie­ben, wie sie es bei­gebracht bekam: wie man es spricht. Oder “Lesen durch Schrei­ben”, wie die von dem Schwei­zer Reform­päd­ago­gen Jür­gen Rei­chen ent­wickel­te Metho­de auch genannt wird. Zusam­men mit der soge­nann­ten Anlaut­ta­bel­le suchen sich die Kin­der die Buch­sta­ben eines Wor­tes nach Gehör zusam­men, um dar­aus ein Wort zu bil­den. Jedes Bild der Tabel­le steht für einen Anfangs­buch­sta­ben. Doch das birgt auch Feh­ler­po­ten­zi­al, wie Deutsch­leh­re­rin Con­ni Kastel erklärt: “ ‘Spielt’ spre­che ich am Anfang mit ‘Sch’. Die Kin­der schau­en auf der Tabel­le nach und fin­den ‘Sch’ von ‘Sche­re’. Fängt also gleich an – also schrei­ben sie ’schpilt’.”

Ein Wort mit der Anlaut­ta­bel­le zu bil­den, klappt also nicht immer. Feh­ler sol­len bei die­ser Metho­de in den ersten Jah­ren jedoch nicht kor­ri­giert wer­den. Cosi­mas Vater­tags-Kar­te wäre dem­nach voll­kom­men okay. Denn so hät­ten die Kin­der am Anfang des Schrei­ben­ler­nens mehr Erfolgs­er­leb­nis­se und wären moti­vier­ter. Das för­de­re die Krea­ti­vi­tät und Selb­stän­dig­keit der Kin­der und das Inter­es­se am Lesen, so die Mei­nung der Refor­mer. Die Vor­sit­zen­de der Gewerk­schaft Erzie­hung und Wis­sen­schaft ver­tei­digt die Metho­de: Sie sei her­vor­ra­gend geeig­net, um jeden Schü­ler da abzu­ho­len, wo er steht. Je nach Lern­aus­gangs­la­ge kön­nen die Kin­der anhand der Anlaut­ta­bel­le von Anfang an kur­ze Wör­ter schrei­ben und auch eher Lesen. Aber ler­nen die Schü­ler dadurch lang­fri­stig rich­tig Schreiben?

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Die Anlaut­ta­bel­le, wie die­ses Bei­spiel, soll den Kin­dern beim Auf­fin­den der Lau­te hel­fen. Sie zeigt zu jedem Laut ein dazu­ge­hö­ri­ges Bild. Die Kin­der sol­len die Begrif­fe anhand der Lau­te zusam­men­set­zen und los­schrei­ben. Anders als beim her­kömm­li­chen Schrei­ben­ler­nen sol­len sie dabei nicht war­ten müs­sen, bis sie die Busch­sta­ben ein­zeln gelernt haben.© Wolf­ram Eßer/​ der​wok​.de

Dra­ma­ti­sche Ver­schlech­te­rung der Rechtschreib-Kenntnisse

Cosi­mas Vater ist der CDU-Poli­ti­ker Hen­ryck Wich­mann. Der Jurist aus Bran­den­burg glaubt, dass die neue Lern­me­tho­de ver­hee­ren­de Fol­gen für den wei­te­ren Wer­de­gang sei­ner Toch­ter und den ande­rer Grund­schü­ler haben kann. “Ich fra­ge mich, war­um man den Kin­dern die ersten zwei Schul­jah­re erst mal das Fal­sche bei­bringt, um es ihnen spä­ter dann wie­der müh­sam abzu­ge­wöh­nen”, so der 36-Jäh­ri­ge. Tat­säch­lich hat sich die Recht­schrei­bung der Grund­schü­ler in den ver­gan­ge­nen Jah­ren enorm ver­schlech­tert, wie eine Lang­zeit­stu­die belegt: Vor 40 Jah­ren mach­ten Viert­kläss­ler auf 100 Wör­ter durch­schnitt­lich sie­ben Feh­ler. In der­sel­ben Unter­su­chung im Jahr 2012 waren es mehr als dop­pelt so vie­le – näm­lich 16 Feh­ler. “Erst als mei­ne Toch­ter in die drit­te Klas­se kam, hat sie ihr erstes Dik­tat geschrie­ben”, berich­tet Wich­mann. “Der Klas­sen­durch­schnitt lag bei Note Vier, mei­ne Toch­ter hat­te eine Vier minus.”

Recht­schreib­schwä­chen bei Stu­den­ten von heute

Wie Wich­mann warnt auch Wis­sen­schafts­lek­tor und Publi­zist Peter Kruck von der Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum vor den nega­ti­ven Fol­gen der Lern­me­tho­de “Lesen durch Schrei­ben”. Der Dozent kor­ri­giert täg­lich Abschluss­ar­bei­ten von Stu­den­ten, auch von ange­hen­den Leh­rern. “Die mei­sten Lehr­amts­stu­den­ten schaf­fen es nicht, zwei bis drei Sät­ze feh­ler­frei zu schrei­ben”, sagt Kruck. Die Stu­den­ten von heu­te waren vor 15 Jah­ren, als die neue Schreib­me­tho­de in eini­gen Grund­schu­len ein­ge­führt wur­de, sechs bis acht Jah­re alt. Sie gin­gen in die erste oder zwei­te Klas­se. Schul­jah­re, in denen sie zunächst ein­mal nach Gehör schrei­ben soll­ten – und Feh­ler nicht kor­ri­giert wurden.

Eine Schwä­che die­ser Lern­me­tho­de zeigt sich vor allem bei Schü­lern mit Lern­schwie­rig­kei­ten, bei Kin­dern aus bil­dungs­fer­nen Fami­li­en oder mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Falsch ein­ge­üb­te Schreib­wei­sen wer­den spä­ter nur schwer durch rich­ti­ge kor­ri­giert. “Wir müs­sen das als Eltern ein Stück weit aus­ba­den”, ärgert sich Wich­mann. “Wir müs­sen nach­mit­tags ver­su­chen gegen­zu­steu­ern und Nach­hil­fe orga­ni­sie­ren.” Der 36-Jäh­ri­ge schickt sei­ne älte­ste Toch­ter inzwi­schen zu einer Schu­le, an der Recht­schrei­bung nach her­kömm­li­cher Art gelehrt wird. Im soge­nann­ten Fibel­un­ter­richt, wie man ihn lan­des­weit 1972 noch prak­ti­zier­te, wer­den zunächst gemein­sam Buch­sta­ben, leich­te Wör­ter und spä­ter kur­ze Tex­te geübt.

Gin­ge es nach Hen­ryck Wich­mann, soll­te die “Lesen durch Schrei­ben”- Metho­de wie­der abge­schafft wer­den. “Recht­schrei­bung kommt nicht von allein, son­dern muss von Anfang an ein­ge­übt wer­den”, sag­te er bei stern TV. Mar­lis Tepe wies dar­auf hin, dass die Kin­der mitt­ler­wei­le mit sehr unter­schied­li­chem Vor­wis­sen in die Schu­le kämen: “Die einen kön­nen schon lesen, die ande­ren kaum spre­chen”, sag­te sie in der Dis­kus­si­ons­run­de. Des­halb sei die Art, wie ihnen heut­zu­ta­ge Recht­schrei­bung bei­gebracht wird, genau rich­tig. “Man hat nach einer Metho­de gesucht, die alle abholt,” so die Vor­sit­zen­de der Gewerk­schaft Erzie­hung und Wis­sen­schaft. Das wür­de aber gera­de den­je­ni­gen Kin­dern scha­den, die bereits Buch­sta­ben und Wör­ter beherrsch­ten, wenn sie in die Schu­le kämen, so Wich­mann. “Alle wer­den erst gleich schlecht gemacht, um ihnen dann wie­der etwas Neu­es bei­zu­brin­gen.” Die Metho­de gehö­re ver­bo­ten. In Bran­den­burg gäbe es kein zuge­las­se­nes Lehr­buch für die Metho­de “Lesen durch Schrei­ben”. Das Land Ber­lin rät inzwi­schen tat­säch­lich von der umstrit­te­nen Metho­de ab, eben­so wie die Deut­sche Gesell­schaft für Lesen und Schrei­ben, die sie eben­falls am lieb­sten ver­bie­ten las­sen wür­de. Laut Tepe wür­de es stark von der Aus­bil­dung der Leh­rer abhän­gen, ob die Schü­ler nach der Metho­de erfolg­reich ler­nen wür­den. Natür­lich müs­se man ihnen auch stets zei­gen, wie ein Wort rich­tig geschrie­ben wer­de. Genau da sieht Uni­ver­si­täts­do­zent Peter Kruck aber das Pro­blem: Die Lehr­amts­an­wär­ter von heu­te beherrsch­ten die Ortho­gra­phie kaum selbst. Bei stern TV berich­te­te er von “haar­sträu­ben­den Feh­lern in den Haus- und Examens­ar­bei­ten” sei­ner Stu­den­ten. Und: “Wir haben ein Rie­sen­pro­blem in der Leh­rer­aus­bil­dung. Die ste­hen am Ende ihres Stu­di­ums da und sagen: Wir haben kei­nen Plan, wie Recht­schrei­bung funk­tio­niert”, so Kruck.

Bis eine Ent­schei­dung fällt, ob “Lesen durch Schrei­ben” an deut­schen Grund­schu­len wei­ter unter­rich­tet wird, bleibt Eltern eine eige­ne Mei­nung – und die freie Schul­wahl für ihr Kind.

(Quel­le:  Stern TV Sen­dung vom 23.10.2013 – online)

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