Interview zur Neuerscheinung „Wo bitte geht´s nach Stanford?“
Vor einigen Tagen ist das Buch “Wo bitte geht´s nach Stanford?: Wie Eltern die Leistungsbereitschaft ihrer Kinder fördern können” von Isabelle Liegl und Dr. Albert Wunsch im Beltz-Verlag erschienen. Meine Rezension habe ich auf Amazon eingestellt. Mit dem renommierten Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch führte ich zudem ein kurzes Interview.
1. Eine Münchner Unternehmerin schildert den Weg ihrer beiden Söhne an eine US-amerikanische Eliteuniversität. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Ihnen?
Ein Verlagsmakler kooperierte wegen einer möglichen Veröffentlichung der Gedanken von Frau Liegl mit dem Beltz Verlag. Dabei entstand die Einschätzung, dass die wichtigen Erfahrungen von Frau Liegl eine fachliche Untermauerung benötigen würden, um so zu einer breiteren Material-Basis zu gelangen. Und dann kamen Verlags-Manager, Verlag und die Autorin gleichermaßen zu der Einschätzung, dass ich dazu ihr Ideal-Partner sei. Nach der Durchsicht der Aufzeichnungen von Frau Liegl und einem gemeinsamen Treffen in Frankfurt am Main sagte ich zu diesem Vorhaben ja.
2. Durch das Lesen bekam ich den Eindruck, dass Unter- und Überforderung unserer Kinder eng zusammenhängen. Würden Sie dies bestätigen? Wie beschreiben Sie den Zusammenhang?
Wenn ein Kind kaum – meist aus Angst, Bequemlichkeit oder Zeitmangel – die Chance hat, sich umfangreich in das Leben einzubringen und ergänzend auch nicht dazu herausgefordert wird, können keine Selbstwirksamkeits-Erfahrungen gemacht werden. So wird die Entdeckungs-Freude und das Ausprobieren-Wollen von Kindern verhindert. Gleichzeitig werden wichtige Erfolgs-Erfahrungen aufgrund des eigenen Tuns vereitelt. Wenn die Kindheit also durch zu viele Verhinderer bzw. Weichmacher – ‚ich mach das schon für dich’, ‚das kannst du noch nicht’, ‚nein, das ist zu gefährlich’ – geprägt wurde, werden die ganz normale Aufgaben des Lebensalltags schnell als zu hart empfunden. Meine Kern-These: “Wer früh unterfordert wird, ist später oft tatsächlich überfordert.”
3. Was raten Sie Eltern und Heranwachsenden, deren Begabungen an einem ganz anderen Ort liegen?
Für das Erkunden von Begabungen ist viel Un-Voreingenommenheit und Hin-Horchen notwendig. Zu oft spiegeln angenommene Neigungen oder Begabungen die elterlichen Erwartungen oder ein zufälliges Interesse wider. Wenn also Begabungen gut überprüft und einem Ausprobier-Vortest unterzogen wurden, werde sich alle Beteiligten in einer Mischung aus Zutrauen, Ermutigung und Erfolgs-Hoffung auf die dann notwendigen Schritte konzentrieren. Und dann spielen die Wegstrecke, mögliche Hürden und der Ort zur Umsetzung eine untergeordnete Rolle.
4. Wo sehen Sie den grössten “blinden Fleck” bei der heutigen Erziehung?
Das zuviele Eltern ihr Tun unter Einbeziehung wichtiger Informationen zuwenig reflektieren. So werden Hinweise von KiTa-Fachkräften ignoriert oder als Einmischung zurückgewiesen, Fachvorträge gemieden und bei Konflikten im Zusammenhang der eigenen Kinder das Umfeld als Auslöser dargestellt. Dass die eigenen Voraussetzungen für die Erziehungsaufgabe in einer pluralen und globalen Welt zu gering sein könnten, passt dann nicht das eigene Denk- und Verhaltens-Schema.
Hinweis: Wunschs Klassiker “Die Verwöhnungsfalle” habe ich ebenso wie sein Buch über Resilienz “Mit mehr Selbst zum stabilen ICH!: Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung” rezensiert.